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Umzug, schon wieder *seufz*

Irgendwie gefällt es mir auf wordpress.com doch nicht so gut wie gehofft. Daher geht es nach kurzem Aufenthalt zurück zu nursokram.de.

So kann ich nicht arbeiten

Heute früh erscheint mein Raumkollege, Manfred, nicht zur Arbeit. Nach ein paar Stunden schickt das Sekretariat normalerweise eine entsprechende Nachricht per Mail an alle Mitarbeiter, aber heute nicht. Ich frage nach.

„Sekretariat, Hansen, was gibt es?“

„Hallo, ich wollte mal wissen, was mit Manfred Kopf ist. Er ist heute nicht zur Arbeit erschienen und bisher kam keine Meldung, was denn nun mit ihm ist“

Eine Weile kommt nichts, dann meldet sich Frau Hansen verwirrt wieder.

„Also … Machen Sie Witze mit mir? Ich habe in keiner Liste einen ‚Manfred Kopf‚. Sind sie sich bei dem Namen ganz sicher? Ich habe hier noch einen Manfred Fress. Bei uns arbeitet definitiv kein Kollege mit diesem Namen – auch nicht in einer anderen Filiale“

„Okay, ich habe mich wohl geirrt“, erwidere ich, um Frau Hansen nicht weiter zu verwirren. Ich frage noch unauffällig im Nachbarraum nach. Entgegen meiner Erwartungen bestätigt der Kollege Frau Hansens Version der Geschichte – keine Manfred, schon gar nicht Manfred Kopf.

Entweder läuft in meinem Leben irgendetwas extrem schief oder jemand ist sehr geschickt darin, mein Leben nach allen Regeln der Kunst zu sabotieren. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals etwas getan zu haben, was den Verfassungsschutz oder die Polizei interessieren könnte. Geknickt melde ich mich krank. Ich kann so nicht arbeiten.


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TV Spielfilm - mit aufgehübschter Barbie

Visuelles Plastik.

An der Straßenbahnhaltestelle, in Zeitschriften, in der Werbung, auf Titelbildern.  Überall makellose Barbies und Kens ohne Pickel, Muttermale und schlechte Zähne.

Auf Gruppenphotos ist jeder einzeln der Star. Man umarmt sich in perfekter Pose, ohne jemals zusammen vor einen Photoapparat getreten zu sein.

Die Photoshopmenschen bringen Glanz in jede noch so erbärmliche Fernsehzeitschrift und einen Hauch von Hollywood in das immer gleiche Frauenmagazin.

„Schaut mich an und erblasst vor Neid, denn ihr analogen, digital nicht nachbearbeiteten Menschlein, habt gegen uns keine Chance!“, scheint die Barbie auf der TV-Spielfilm zwischen ihren makellosen Zähnen hervor zu säuseln.

Die analoge Version des Covers mag derweil einen spannenden Film drehen, bei dem sie sich schreiend, laufend und weinend zu 70 Prozent an einer knallgrünen Wand aufhält. Der Regisseur beginnt Szenendrehs oft mit:

Und jetzt stell‘ dir vor, du bist auf einer riesigen Brücke. Normalerweise wäre es dort sehr windig, aber wir lassen das einfach weg, damit deine Leistung authentischer wirkt

Die minderwertige Analogversion mag fragen, was man denn im Making-Of erzählen soll. Schließlich kann man nicht einfach mit der Wahrheit herausrücken. Das will doch keiner.

Die Frage stellt sich auch in der Krimiserie, in der sie spielt. Statt ganze Straßenzüge in New York abzusperren und Schaulustige auf Distanz zu halten, schickt man einfach ein paar Studioleute hin, die einen kleinen Teil publikumsunwirksam absperren und die Kameras ein paar Stunden das alltägliche Geschehen filmen lassen. Der eigentliche Dreh findet auch wieder vor einer einfarbigen Wand statt.

Für das Making-Of gibt es auch eine Lösung: Diesmal muss noch über das tolle Miteinander der Schauspieler geredet werden. Demnächst ist das kein Problem mehr, denn keiner will noch große Produktionen mit minderwertiger, überteuerter Menschware drehen.

Avatar-Poster

Stattdessen wird der Film mit namenlosen Stuntleuten und einem motiviertem CGI-Team komplett umgesetzt. Avatar, der erfolgreichste Film seit der Einführung der Statistikfälschung, zeigt, wie es geht. Damit dabei der Starkult nicht komplett auf der Strecke bleibt, lässt man die Stimmen von Prominenten sprechen, die dafür freilich nicht soviel Geld sehen wie für eine schauspielerische Darbietung.

Und ja, warum nicht. Hauptsache, alle gehen mit ausreichend Geld nach Hause und die Leute daheim kaufen sich Bildschirme, die bald größer sind, als sie selbst, um sich gestochen scharfe Danone-Werbung mit perfekt nachbearbeiteten Bananen in 5.1-Sourroundsound anzusehen und zu hören. Fortschritt heißt, es geht immer nur bergauf.

Der neue Photoshop-Kollagen-Übermensch ist längst da, schaut lächelnd von Postern und Bildern auf die traurige Wirklichkeit hinab und weiß im Stillen: „Ohne mich könnt ihr nicht mehr

Zu wenig

Auch Tage später bin ich keinen Schritt weiter. Bei meinen Eltern habe ich nicht wieder angerufen. Zu groß ist die Angst, erneut auf Granit zu beißen. Ich überlege noch immer, was mit Shirin passiert sein könnte und warum ich nicht einmal annähernd genug weiß, um sie zu suchen zu können.

Es erschreckt mich, so wenig über sie zu wissen und ich kann mich nur schwer auf meine Arbeit konzentrieren. Wenn es so weiter geht, wird mich der Abteilungsleiter bald zu sich ins Büro zitieren …


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Warum streiten alle ab, meine Schwester zu kennen? Selbst meine Mutter will von nichts wissen.

Ich muss es wenigstens bei meinem Vater noch einmal probieren. Ich rufe ihn auf seinem Mobiltelefon an und hoffe, dass Hilde noch nicht mit ihm gesprochen hat.

„Hallo, Dieter? Wie war der Urlaub?“

„Ach, mir hat’s gefallen. Hat zwar viel geregnet, aber dadurch konnten wir uns eine Menge Ausstellungen und Museen ansehen. Du weißt ja, wie interessant ich sowas finde“

„Ja, ja. Dein Spitzname Doktor Staub ist nicht aus der Luft gegriffen.“

„Was gibt es denn, Sohn. Ich muss gleich zu Hilde und mir ihre schlechte Laune antun“

„Es geht um Shirin“ sage ich und lege, auch wenn es mir komisch vorkommt, nicht gleich alle Karten auf den Tisch.

„Shirin? Welche Shirin?“

„Sag mal Dieter, wieviele Shirins kennst du denn?“

Dieter denkt offenbar kurz nach.

„Ich kenne ehrlich gesagt gar keine Shirin. Sollte ich?“

Das verschlägt mir die Sprache.

„Sohn? Bist du noch dran?“

„Ja, … ja. Hast du eben schon mit Hilde gesprochen?“

„Nein, wir sind uns nach dem Flug aus dem Weg gegangen. Wir hatten etwas Streit“

„Und sie hat nichts von einem seltsamen Telefonat erzählt?“

„Ich sage dir doch: Ich habe mir ihr schon seit Stunden nicht mehr gesprochen. Nachher werde ich zu ihr fahren und dann werden wir sicher reden. Gibt’s da etwas, was du mir sagen willst?“

„Nein, nein … Oder doch: Ich hatte vorhin ein seltsames Gespräch mit Hilde. Du kannst aber einfach ignorieren, was sie sagt. Das hat keine Relevanz, ganz sicher“

„Wie du meinst“

„Einen schönen Tag noch“

„Dir auch, Sohn. Und entknote dein Gehirn bis zum nächsten Gespräch, damit sich’s lohnt“

„Sicher“

Ich bin komplett perplex. Welchen Grund haben meine Eltern, die Existenz ihrer Tochter zu leugnen? Vielleicht werden sie von jemandem unter Druck gesetzt? Aber aus welchem Grund? Wer könnte davon profitieren?


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Tochter?

Nach einer Woche fehlt von Shirin noch immer jede Spur. Sie hat sich nicht gemeldet. Nicht einmal Freundinnen oder Bekannte haben sich bei mir gemeldet. In meiner Verzweiflung schalte ich unsere Eltern ein.

Die sind gerade aus einem Urlaub zurückgekehrt und wissen vielleicht mehr als ich. Haben sie Shirin unter Umständen sogar mitgenommen ohne mir etwas zu sagen? Ein Anruf bringt vielleicht Klärung …

„Hallo Hilde. Wie war der Urlaub?“

„Ach, wir hatten schlechtes Wetter. Der Urlaub war insgesamt nicht so schön, wie ich mir das erhofft hatte. Und wie sieht es bei dir aus?“

„Nun, ja. Hilde, deiner Tochter scheint verschwunden zu sein“

Am anderen Ende ist es still. Offenbar muss Hilde die Nachricht erst einmal verdauen.

„Sehr witzig, Herr Einzelkind. Erst so ein schlechter Urlaub, und dann begrüßt mich mein einziges Kind mit solchen Seltsamkeiten!“

„Wie … Seltsamkeiten? Ich meine doch nur, dass Shirin seit Tagen nicht mehr hier aufgekreuzt ist!“

„Shirin? Welche Shirin? Ist das deine neue Freundin?“

„Nein, nein. Ich meine deine Tochter“

„Du willst mich auf den Arm nehmen, oder? Ich habe keine Tochter, auch keine versteckte oder uneheliche. Ich habe genau ein Kind – dich. Und nach deiner Geburt habe ich mich sterilisieren lassen, weil du eine Risikoschwangerschaft warst und eine weitere Schwangerschaft ein extremes Risiko für mich bedeutet!“

Ich fühle mich wie in einem falschen Film.

Meine Mutter legt keinen Wert darauf, mit anderen Leuten Spaß zu treiben. Wenn sie etwas sagt, dann meint sie es ernst. In diesem Fall, das erkenne ich an ihrem Ton, meint sie es bitterernst. Wenn ich noch weiter auf ihre Tochter zu sprechen komme, wird sie sicher ausflippen.

„Also gut, Hilde. Ich will dich nicht weiter belästigen“

„Das will ich wohl meinen“ kommt es prompt zurück. Danach legt sie ohne Verabschiedung auf.

Das war nicht sehr zielbringend.


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Ein Problemfall

Wenn die kleine Schwester abhanden kommt, macht man sich so seine Gedanken. Ich erinnere mich an die Dinge, die uns verbinden.

Shirin war als Teenager ein Problemfall. Sie war nicht so oberflächlich wie die meisten Mädchen in ihrer Klasse. Sie hatte ein paar wenige, verschlossene Freundinnen, die sie oft mit nach Hause brachte. Mit den meisten von Ihnen konnte ich nichts anfangen. Nur eine war etwas offener und reagierte auch ein bisschen auf meine ziemlich dämlichen Großer-Bruder-Sprüche.

Wie sich bald herausstellte, war dieses Mädchen hinterhältig und hatte nur Freundin gespielt, um Shirin besonders stark demütigen zu können. Genau das gelang ihr leider und Shirin rannte das erste Mal weg. Niemand wusste wohin sie geflüchtet war und wir hatten schreckliche Angst um sie.

Nach zwei Tagen fand ich sie unter einer Brücke in einem anderen Stadtteil. Sie war komplett durchgefroren und hatte sich mehrere Verletzungen an den Oberarmen zugefügt, die kleine, aber sichtbare Narben hinterließen. Nach diesem Erlebnis war sie noch verschlossener und flüchtete sich in Bücher und Schreiben.

Alle waren sehr erleichtert, als sie nach dem Abitur aus sich heraus kam. Sie begann ein Studium und jobbte nebenher bei einer Werbeagentur. Die Arbeit dort gefiel ihr so gut, dass sie nach dem Studium in die Werbung ging und bei Werbabim, einer überregionalen Werbeagentur begann. Sie wurde innerhalb weniger Monate so erfolgreich, dass man bereits einige Werbspots im Fernsehen bewundern konnte, die sie mitproduziert hat.

Umso mehr wundert es mich, dass ihre Agentur plötzlich nicht mehr weiß, wer sie eigentlich ist. Oder vielleicht ist diese Helga, mit der ich sprach, nicht ganz auf der Höhe.

Ich hoffe, auch wenn das nicht fair ist, dass die zweite Variante zutrifft.


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Erste Sorgen

Nach zwei Tagen ist Shirin immer noch nicht aufgetaucht. Ein Anruf auf ihr Handy ergibt: Kein Anschluss unter dieser Nummer. Ich mache mir mittlerweile ernsthaft Sorgen und gehe deshalb zur Polizei. Praktischerweise haben wir direkt an der nächsten Kreuzung eine Wache.

Der zuständige Kollege gibt sich kompetent und offen. Er nimmt die Personalien meiner Schwester auf, fragt die zu erwartenden Fragen („Wie alt ist sie?“, „Wie lange ist sie schon weg?“, „Wo könnte sie noch sein?“, „Ist sie öfter weg?“).

Nach Klärung aller Punkte verspricht mir der Beamte, die Sache ernst zu nehmen, weist mich aber auch darauf hin, dass ich nicht mit einer schnellen Klärung rechnen kann. Insbesondere hebt er aufgrund eines ungeschickten Zugeständnisses („Ja, Shirin ist schon öfter mal ein paar Tage verschwunden … Aber nicht so!“) hervor, dass man sich vielleicht gar keine Sorgen machen muss und Shirin möglicherweise schon morgen vor der Tür steht.


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Noch ein bisschen Zeit

„Shirin? Welche Shirin?“

„Shirin Takama! Sie arbeitet seit drei Jahren bei Ihnen!“

„Lassen Sie mich einen Moment in den Unterlagen nachsehen. Bei uns arbeiten ja doch ein paar mehr Leute, als ich immer im Blick habe“

Nach einer kurzen Pause und etwas Getuschel im Hintergrund meldet sich die weiblich Stimme zurück. „Tut mir Leid. Sind Sie sicher, dass Sie die richtige Nummer gewählt haben?“

Die gute Frau am anderen Ende scheint nicht ganz auf der Höhe zu sein.

„Hören Sie: Ich weiß genau, dass ich gerade bei Werbabim anrufe und dass Shirin bei Ihnen arbeitet. Wie ist Ihr Name eigentlich nochmal?“

„Helga Roth … Ich kenne hier eigentlich die meisten. Mich wundert es, dass ich diese Shirin ..“

„Ich will Sie ja nicht unterbrechen, aber Shirin hat immer von Ihnen erzählt. Sie sitzen ihr doch direkt gegenüber, oder etwa nicht?“

„Mir gegenüber? Nicht dass ich wüsste … Mir gegenüber sitzt meine Kollegin Susanne Spahn. Und die sitzt da schon seit einigen Jahren. Und überhaupt kenne ich keine Shirin“

Die Frau regt mich auf. Wie kann man nur so verbohrt sein?

„Das kann ich einfach nicht glauben. Schauen Sie: Vor ein paar Wochen waren Sie doch krank, nicht wahr?“

„Äh, ja. Woher wissen Sie das?“

„Shirin hat es mir erzählt. Was dachten Sie denn? Und in der Zeit ist Shirin immer zu Ihnen gefahren, nach Feierabend, und hat Ihnen seelischen Beistand geleistet. Zweimal habe ich sie sogar dorthin gefahren. Macht es bei Ihnen immer noch nicht ‚klick‘?“

„Nein, tut mir leid. Das ergibt alles keinen Sinn. Als ich krank war, kam überhaupt niemand vorbei. Nach drei Wochen ohne Anruf und Besuch bin ich zum Arzt gegangen und habe mir Antidepressiva verschreiben lassen“

Diese Frau nahm (nimmt?) ihre Antidepressiva offenbar nicht ohne Grund. Offenbar ist jede Diskussion zum Scheitern verurteilt. Entmutigt gebe ich auf.

„Okay. Lassen wir die Diskussion. Danke für die Auskunft und … ähm gehen Sie ruhig regelmäßig zu Ihrem Arzt“

„Äh, Ärzt? Wieso? Ich bin doch wieder …“

An dieser Stelle lege ich auf. Es bleibt nicht viel festzustellen: Shirin ist immer noch verschwunden. Ich würde gerne ihre Freundinnen anrufen, aber außer der Nummer ihrer Arbeitsstelle habe ich nichts außer ein paar Namen, die ich unmöglich zuordnen kann.

Auf der einen Seite würde ich gerne bei der Polizei anrufen und eine Vermisstenanzeige aufgeben. Andererseits ist Shirin alt genug, um auf sich selbst aufzupassen und ist in der Vergangenheit schon öfter unangemeldet verschwunden. Vielleicht sollte ich ihr einfach noch ein bisschen Zeit geben.


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Shirin?

Als ich heute früh aufwache, stimmt wieder etwas nicht, etwas anderes.
Meine Wahrnehmung ist … unverändert!
Ich bin immer noch im Besitz … aller Gliedmaßen und Sinne!

Sichtlich entspannt falle ich zurück ins Bett. Ein ungutes Gefühl bleibt. Ich glaube, etwas übersehen zu haben. Also stehe ich auf und schaue mich in der Wohnung um. Dann klopfe ich an die Zimmertür meiner Schwester, Shirin. Sie wohnt mit mir zusammen. Es regt sich nichts. Vermutlich arbeitet sie bereits.
Ein komisches Gefühl bleibt trotzdem.

Am Abend kommt Shirin nicht nach Hause. Ich muss morgen mal in ihrem Büro anrufen, um zu erfahren, ob etwas vorgefallen ist.


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